Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des BVKJ

Pressemitteilung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.)

Eltern wünschen sich im Regelfall eine Versorgung ihrer Kinder durch entsprechend weitergebildeten Kinder- und Jugendärzte, wie Umfragen der Kinder- und Jugendärzte bei über 250.000 Eltern ergeben haben und entsprechende Statistiken zeigen. Eltern sind sogar bereit, für eine solche qualifizierte Versorgung auch weitere Wege in Kauf zu nehmen

Kinder- und Jugendärzte versorgen in Deutschland seit über 100 Jahren in einem gemischten System zusammen mit Allgemeinärzten Kinder und Jugendliche. Während die Allgemeinmedizin aufgrund der demografischen Entwicklung ihren Schwerpunkt hin zu chronisch-kranken Erwachsenen und multimorbiden Senioren verlagert hat, was sich auch in den wesentlichen Inhalten ihrer Weiterbildungsordnung widerspiegelt, hat sich die Kinderund Jugendmedizin hin zur spezialisierten haus- und fachärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen entwickelt.

Nach den Erhebungen des Nationalen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) von 2008 werden 90,6 % aller 0- bis 6-jährigen Kinder von Kinder- und Jugendärzten ambulant versorgt. 95 % aller Vorsorgeuntersuchungen in den ersten beiden Lebensjahren lassen die Eltern bei Kinder- und Jugendärzten mit einer entsprechenden Weiterbildung im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin durchführen, auch bei den weiteren Untersuchungen U7a bis U9 und J1 bevorzugt die große Mehrheit der Eltern (über 80%) die Kompetenz der Kinder- und Jugendärzte. Nur eine Minderheit der Allgemeinärzte in vorwiegend dünn besiedelten Regionen versorgt noch einen nennenswerten Anteil an Kindern.

Wir haben in Deutschland eine international anerkannt auf einem sehr hohen Niveau stehende primäre, sekundäre und tertiäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch entsprechend qualifizierte Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin in Praxen und Kliniken.

Dieser hohe Versorgungsstandard ist zunehmend gefährdet!

Die rund 5.700 niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte in Deutschland bangen um ihre Zukunft. Das Bundesgesundheitsministerium setzt ganz auf eine hausarztzentrierte Versorgung ohne Altersbegrenzung durch Allgemeinärzte in Selektivverträgen. Damit wird dieses bewährte System der primären hausärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Kinder- und Jugendärzte mit einer besonderen, mindestens 5 Jahre dauernden speziellen Weiterbildung im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin zerschlagen.

„Bei der Neugestaltung der Regelung zu den Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73 b SGB V haben das Bundesministerium für Gesundheit und der Deutsche Bundestag die fatalen Folgen für Kinder und Jugendliche falsch eingeschätzt, obwohl sie im Gesetz Möglichkeiten für eine spezielle Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Ärztinnen und Ärzte, die für diese Altersgruppe eine besondere Qualifikation nachweisen können, geschaffen haben. Die Krankenkassen schließen in zunehmendem Maße aufgrund der aktuellen Gesetzgebung mit den Allgemeinärzten Verträge ab, die auch die komplette Versorgung von Kindern und Jugendlichen umfassen, und lassen Kinder- und Jugendärzte außen vor“ so die Kinder- und Jugendärzte. Dadurch ist eine Versorgung durch entsprechend weitergebildete Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin gefährdet und die Behandlung wird teurer.

Untersuchungen in europäischen Nachbarländern ohne primäre Versorgung durch Kinderund Jugendärzte zeigen, dass Hausärzte ohne entsprechende Weiterbildung in der Kinder- und Jugendmedizin mehr Medikamente ohne Zulassung für Kinder verordnen, die medikamentöse Behandlung insgesamt teurer ist, Diagnosen teilweise verzögert gestellt und somit Therapien nicht rechtzeitig eingeleitet werden. Auch die Einweisungsquote ins Krankenhaus liegt höher.

Verbandspräsident Dr. Wolfram Hartmann betont, „Gerade bei den Vorsorgeuntersuchungen und zur Behandlung von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen ist der Facharzt in der ambulanten Versorgung unverzichtbar.“

Die Kinder- und Jugendärzte erwarten von der Bundesregierung eine klare Aussage zur zukünftigen ambulanten und stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Eine Verschiebung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen hin zu einem lediglich allgemeinmedizinisch weitergebildeten Primärarzt ist aufgrund der unzureichenden speziellen Weiterbildung der Allgemeinmediziner im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin mit einer Verschlechterung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen verbunden. Wenn dies politisch beabsichtigt ist, dann soll man es den Bürgern vor der Wahl auch offen sagen. Auch angehende Ärztinnen und Ärzte können sich dann darauf einstellen und rechtzeitig entscheiden, ob sie sich im Fach Kinder- und Jugendmedizin weiterbilden oder lieber andere Fächer wählen.

Anmerkung für die Redaktionen:

Bei Nachfragen steht Ihnen Dr. med. Wolfram Hartmann, Präsident Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), zur Verfügung unter
Fon: 02732/762900, Fax: 02732/86685
dr.w.hartmann-kreuztal@t-online.de
dr.wolfram.hartmann@uminfo.de


Verantwortlich:

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Mielenforster Straße 2
51069 Köln
Tel: 0221/68909-0


Pressesprecher:
Dr. med. Uli Fegeler