Gute Pflege von Kindern in Zukunft

Forderungen zur Ausgestaltung des Koalitions-Kompromisses zur Pflegeausbildung vom 06.04.2017

Vorrangiges Ziel muss bei Umsetzung der jüngsten Koalitionsvereinbarung zur Pflegeausbildung eine sehr gute Pflege für kranke Kinder auch in Zukunft sein. Es sollte eine deutliche Verbesserung der Ausbildungsqualität für die Kinderkrankenpflege gegenüber dem Status Quo angestrebt werden, denn die Anforderungen an die Pflege werden nicht einfacher sondern komplexer.

 

Daher fordern wir:

  1. Rechtzeitig vor einer endgültigen Entscheidung über die Gesetzesvorlage muss die Ausbildungs und Prüfungsordnung vorliegen, da ansonsten keine Bewertung möglich ist.
  2. Während der 2-jährigen generalistischen Grundausbildung müssen in Schulen, die die Vertiefung Kinderkrankenpflege anbieten, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis mindestens zu einem Drittel pädiatrie-spezifische*) Inhalte vermittelt werden.
  3. Während der generalistischen Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege im 3. Ausbildungsjahr müssen sowohl in der Theorie als auch in der Praxis mindestens zur Hälfte pädiatrie-spezifische*) Inhalte vermittelt werden.
  4. Eine generalistische Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege im 3. Ausbildungsjahr darf nur an Ausbildungsstandorten angeboten werden, an denen auch eine kinder- und jugendmedizinische Abteilung angesiedelt ist.
  5. Als Voraussetzung sowohl für die spezifische Kinderkrankenpflegeausbildung im 3. Ausbildungsjahr als auch für die generalistische Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege muss die Pflegeschule Lehrpersonal mit Expertise in der Kinderkrankenpflege nachweisen.
  6. Auszubildende, die die 3jährige generalistische Ausbildung mit Vertiefungseinsatz in der Kinderkrankenpflege wählen, erhalten in ihrer Berufsbezeichnung den Zusatz „Kinder“. Zur geplanten Evaluation nach 6 Jahren:
  7. Die Überprüfung nach 6 Jahren, für welchen Ausbildungsgang sich die Auszubildenden überwiegend entschieden haben, muss für Kinderkrankenpflege und Altenpflege separat durchgeführt werden.

 

Die Evaluation sollte unbedingt auch die Einschätzung der generalistisch Ausgebildeten abrufen, ob sie sich hinreichend vorbereitet sehen auf die Seite 2 von 8 Pflegesituation in der Kinder- und Jugendmedizin. Zusätzlich sollte die Pflegequalität selbst ausgewertet werden unter der Fragestellung, welche Auswirkungen die generalistische Ausbildung auf die Pflege von kranken Kindern hat. Aktionskomitee KIND IM KRANKENHAUS (AKIK), Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Bundesarbeitsgemeinschaft Kind und Krankenhaus (BaKuK), Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH), Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ), Elterninitiative „Ich bin keine Fallpauschale", Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD), Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI), Kindernetzwerk, Verband Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands (VLKKD), Stand: 20.04.2017

 

*) Pädiatrie-spezifisch steht hier und im Folgenden stellvertretend für alle spezifischen medizinischen Fachgebiete für Kinder und Jugendliche, wie z.B. Kinder- und Jugendmedizin einschl. aller Subdisziplinen, Kinderchirurgie, Kinderorthopädie etc..

 

Kontakt: DGKJ-Geschäftsstelle: info@dgkj.de, Tel. 030 / 30877790; GKinD: Jochen.Scheel@GkinD.de, Tel. 030 / 60984280

 

Erläuterung der Forderungen zur Ausgestaltung des Koalitions-Kompromisses

  • Zu Forderung 1: „Rechtzeitig vor einer endgültigen Entscheidung über die Gesetzesvorlage muss die Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorliegen, da ansonsten keine Bewertung möglich ist.“
    Begründung: Der bekannt gegebene politische Kompromiss wirft zahlreiche Fragen zur praktischen Umsetzung auf, die nicht im Gesetzestextentwurf abschließend beantwortet und geregelt werden können, sondern Gegenstand der Ausbildungsund Prüfungsordnung (APO) sowie der Curricula sein müssen. Daher hatten die Koalitionsfraktionen bisher im Gesetzgebungsverfahren berechtigterweise gefordert, dass der Text der Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorliegen muss, bevor das Gesetz verabschiedet wird. Das ist nach dem nun vorliegenden politischen Kompromiss umso wichtiger, als zu der vorgeschlagenen Ausbildungsstruktur Machbarkeits- oder Modellstudien, also Informationen zur Plausibilität und Umsetzung oder evtl. Risiken vollständig fehlen. Zudem sind zentrale Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung der verschiedenen Ausbildungsvarianten (z.B. Zeitvorgaben zur praktischen und theoretischen Ausbildung) wieder vollkommen offen. Es wird also den Abgeordneten nicht zumutbar sein, bei diesem wichtigen Thema dem Bundesgesundheitsministerium quasi einen Blanko-Scheck auszustellen, indem über einen Gesetzentwurf zu entscheiden ist, der die wirklich wichtigen Regelungen gar nicht enthält. Hinzu kommt, dass Fachkreise wie wir ohne Vorlage der APO nicht in der Lage sind, belastbare Bewertungen abzugeben, die oft wichtige Entscheidungsgrundlagen für Parlamentarier sind.
  • Zu Forderung 2: „Während der 2jährigen generalistischen Grundausbildung müssen in Schulen, die die Vertiefung Kinderkrankenpflege anbieten, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis mindestens zu einem Drittel pädiatrie-spezifische*) Inhalte vermittelt werden.“
    Begründung: Es muss sichergestellt sein, dass auch die notwendigen pädiatrie-spezifischen Inhalte verpflichtend bereits in der 2jährigen generalistischen Grundausbildung vermittelt werden müssen. Das macht allerdings nur in denjenigen Schulen Sinn, die auch die Vertiefung Kinderkrankenpflege oder die spezialisierte Ausbildung Kinderkrankenpflege im 3. Ausbildungsjahr anbieten. Die Erfahrungen mit der aktuellen integrativen Ausbildung zeigen, dass es i.W. im Einflussbereich der Schulleitung sowie der Pflegedienstleitung des Trägers liegt, ob für die pädiatrische Versorgung auch tatsächlich Inhalte adäquat vermittelt werden. Eine Verpflichtung dazu besteht bisher nicht und dies führt in einigen Schulen leider dazu, dass kind-spezifische Inhalte den Auszubildenden nicht oder nicht ausreichend vermittelt werden. Häufig ist dies der Fall, wenn die Verantwortlichen der Schulleitung oder Pflegedienstleitung einer großen Klinik nicht in der Kinderkrankenpflege sozialisiert sind und die Notwendigkeit aufgrund fehlender eigener Erfahrung und Kompetenz nicht erkennen (können). Die Auszubildenden selbst, die sich entsprechende Einsätze und theoretische Grundlagen wünschen, haben i.d.R. nicht die Möglichkeit, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Erhebliche Qualifikationsunterschiede sind die Folge. Das würde dem Ziel einer verlässlich qualitativ hochwertigen Ausbildung in der Kinderkrankenpflege zuwiderlaufen. Wir stimmen daher mit dem Berufsverband Kinderkrankenpflege darin überein, dass der Erwerb von Kompetenzen zur pflegerischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen auch bei einer generalistischen Ausbildung in der Theorie und in der Praxis verankert sein muss. Dieser Umfang deckt sich mit den Erfahrungen und Empfehlungen der Paediatric Nursing Associations of Europe (PNAE), die im Positionspapier zur Ausbildung 2015 empfiehlt, dass die Dauer eines pädiatrischen Ausbildungsprogramms „nicht weniger als 52 Wochen [betragen sollte] mit einer gleichmäßigen Verteilung zwischen Theorie und klinischer Praxis“. Das lässt sich nur erreichen, wenn bereits in den ersten 2 Jahren der Grundausbildung damit begonnen wird.
  • Zu Forderung 3: „Während der generalistischen Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege im 3. Ausbildungsjahr müssen sowohl in der Theorie als auch in der Praxis mindestens zur Hälfte pädiatrie-spezifische*) Inhalte vermittelt werden.“
    Begründung: Die Begründung zu Forderung 2 trifft auch für Forderung 3 zu. Ergänzend sei angemerkt, dass auch für diejenigen, die sich nicht für den Ausbildungsberuf Kinderkrankenpfleger/-in entschieden haben oder diese Wahl in Ihrer Pflegeschule gar nicht hatten, eine angemessene Vermittlung der für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen und Ihrer Familien erforderlichen Kompetenzen gesichert sein muss. Im Praxisteil müssen die Einsätze im Schwerpunkt „Kinder und Jugendliche“ in Kinder- und Jugendkrankenhäusern bzw. auf Kinderstationen gewährleistet sein. Dies lässt sich nur sicherstellen, wenn diesen Einsätzen, aber natürlich auch der Vermittlung des komplexen theoretischen Hintergrundwissens, ausreichend Zeit eingeräumt wird. Ansonsten ist für die 3jährige generalistische Ausbildungsvariante mit Vertiefung Kinderkrankenpflege zu befürchten, dass erhebliche Nachqualifikationen nach dem Examen erforderlich werden, bevor ein selbständiger Einsatz verantwortet werden kann.
  • Zu Forderung 4: „Eine generalistische Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege im 3. Ausbildungsjahr darf nur an Ausbildungsstandorten angeboten werden, an denen auch eine kinder- und jugendmedizinische Abteilung angesiedelt ist.“
    Begründung: Diese Forderung ist eigentlich selbsterklärend. Nur, wenn die erforderlichen (s.o.) Praxiseinsätze gesichert sind, ist eine adäquate Ausbildung möglich. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Schulen die Vertiefung Kinderkrankenpflege anbieten, obwohl praktische Einsätze nur in weit entfernten externen Kinderklinikstandorten angeboten werden.
  • Zu Forderung 5: „Als Voraussetzung sowohl für die spezifische Kinderkrankenpflegeausbildung im 3. Ausbildungsjahr als auch für die generalistische Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege muss die Pflegeschule Lehrpersonal mit Expertise in der Kinderkrankenpflege nachweisen.“
    Begründung: Pflegeberufliche Kompetenzen werden im Rahmen der theoretischen Ausbildung angebahnt. Die Pflegeschulen müssen den theoretischen und praktischen Unterricht analog ihrer Vertiefungsprofile / Schwerpunktsetzungen gewährleisten. Ob dies gelingt, hängt nach den praktischen Erfahrungen sehr stark davon ab, ob die Auszubildenden durch Pflegefachpersonen aus der pädiatrischen Pflege ausgebildet, begleitet und angeleitet werden, die als Vorbild für professionelles Handeln fungieren können und über die erforderliche berufspädagogische Qualifizierung verfügen. Fehlt jedoch in einer Schule das Lehrpersonal mit eigener Expertise in der Kinderkrankenpflege, mangelt es oft an der Grundvoraussetzung, überhaupt die Notwendigkeit für die erforderlichen theoretischen Grundlagen erkennen, aber auch an der Fähigkeit, diese glaubhaft und kompetent vermitteln zu können.
  • Zu Forderung 6: „Auszubildende, die die 3jährige generalistische Ausbildung mit Vertiefungseinsatz in der Kinderkrankenpflege wählen, erhalten in ihrer Berufsbezeichnung den Zusatz „Kinder“.
    Begründung: Auszubildende in der Kinderkrankenpflege haben primär Interesse am Patient Kind. Nicht ohne Grund sind die Kinderkrankenpflegeschulen derzeit noch in der glücklichen Situation, sich über auffallend viele Bewerber/innen mit einem guten Schulabschluss zu freuen. Das ist so, weil man sich noch gezielt um eine Ausbildung in der Kinderkrankenpflege bewerben kann. Den Auszubildenden, die sich für die Vertiefung Kinderkrankenpflege entscheiden oder entscheiden müssen, weil in ihrer Region nichts Anderes angeboten wird, muss die berufliche Perspektive und Identifikation erhalten bleiben. Wir würden ansonsten viele dieser Bewerber verlieren, weil ihr Interesse primär dem Kind gilt und nicht der Kranken- und Altenpflege. Außerdem muss für die zukünftigen Arbeitgeber, also Trägern von Kinderkrankenhäusern und –abteilungen oder Einrichtungen der ambulanten Kinderkrankenpflege auf dem Examenszeugnis erkennbar sein, dass die Vertiefung Kinderkrankenpflege in der Ausbildung gewählt wurde. Nur so lässt sich die Qualifikation einschätzen. Absolventen/-innen einer generalistischen Ausbildung mit Vertiefung Kinderkrankenpflege ohne Nennung auf dem Zeugnis hätten ansonsten erhebliche Nachteile gegenüber Absolventen/-innen mit spezialisierter Kinderkrankenpflegeausbildung zu befürchten.
  • Zu Forderung 7: „Die Überprüfung nach 6 Jahren, für welchen Ausbildungsgang sich die Auszubildenden überwiegend entschieden haben, muss für Kinderkrankenpflege und Altenpflege separat durchgeführt werden.“
    Begründung: Der Koalitionskompromiss sieht vor, dass nach 6 Jahren überprüft wird, ob sich die Auszubildenden in Alten- und Kinderkrankenpflege im 3. Jahr überwiegend für die spezialisierte Ausbildung oder für die generalistische Ausbildung mit Vertiefung entschieden haben. Rd. 6.300 Auszubildende in der Kinderkrankenpflege stehen rd. 126.000 Auszubildenden in der Kranken- und Altenpflege gegenüber. Wenn keine Differenzierung bei der geplanten Befragung nach 6 Jahren erfolgt, hätte die Stimme der Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege keinerlei Gewicht, selbst wenn sich 100% für eine spezialisierte Ausbildung entscheiden. Um ein Ergebnis zu erhalten, das die Stimmungslage in der Kinderkrankenpflege korrekt widergibt, dürfen nur diejenigen Auszubildenden gegenübergestellt werden, die sich in diesen 6 Jahren für die spezialisierte Kinderkrankenpflege oder für die Vertiefung Kinderkrankenpflege entschieden haben. Das gleiche gilt analog für die Altenpflege.
  • Zu Forderung 8: „Die Evaluation sollte unbedingt auch die Einschätzung der generalistisch Ausgebildeten abrufen, ob sie sich hinreichend vorbereitet sehen auf die Pflegesituation in der Kinder- und Jugendmedizin. Zusätzlich sollte die Pflegequalität selbst ausgewertet werden unter der Fragestellung, welche Auswirkungen die generalistische Ausbildung auf die Pflege von kranken Kindern hat.“
    Begründung: Es ist damit zu rechnen, dass viele Schulen nicht beide Ausbildungsvarianten anbieten werden, weil sie z.B. den zusätzlichen organisatorischen Aufwand scheuen oder die Schulleitung aus grundsätzlichen Erwägungen ein/e Verfechter/-in der generalistischen Ausbildung ist. Die Erfahrungen, auch aus Modellversuchen, zeigen leider, dass insbesondere Absolventen/innen von generalistischen Ausbildungsgängen erhebliche Defizite aufweisen und nicht ausreichend auf komplexe Pflegesituationen in der Kinder- und Jugendmedizin vorbereitet sind. Es darf daher bei der Evaluation nicht allein entscheidend sein, wie viele Ausbildende sich für welche Ausbildungsvariante entschieden haben (wenn sie denn die Wahl hatten), sondern ob beide Varianten auch hinreichend für den Einsatz in der Praxis qualifizieren. Dabei ist es natürlich wichtig zu wissen, wie die Absolventen/- innen dies selbst einschätzen. Ebenso wichtig ist aber auch, wie die Arbeitgeber dies beurteilen, die auf gut ausgebildete Kinderkrankenpflegefachkräfte angewiesen sind. Die von der Koalition geplante Evaluation ist also unbedingt um diese beiden Aspekte zu ergänzen. Da eine gute Pflege für Kinder zur Daseinsvorsorge des Staates gehört, gehen wir davon aus, dass dieser Qualitätsaspekt auch für die politischen Entscheider eine Rolle spielt, auch wenn dies in der politischen Diskussion bisher vollkommen untergeht.

 

Kontakt: DGKJ-Geschäftsstelle: info@dgkj.de, Tel. 030 / 30877790; GKinD: Jochen.Scheel@GkinD.de, Tel. 030 / 60984280